Sonntag, 30. September 2012

Irgendwer mit Medien #2 - Anna Melcher.



Anna hat einen Nebenjob fernab der Studentenjob-Normalität  – 
Sie castet Protagonisten für Scripted Reality Sendungen

Studenten. Die Akademiker von Morgen. Von denen gibt es grob gesagt zwei Typen.

Die Einen sind faul, haben – anders als alle anderen -  seltsamerweise ständig frei und auf Real Life und Arbeitsmarkt noch weniger Bock, als auf die Klausurenphase am Ende des Semesters. Lieber hängen sie in irgendwelchen Kneipen rum, saufen sich ihr Leben noch entspannter, als es überhaupt schon ist und belohnen ihren eigenen, dauerhaften Selbstbeschiss in Sachen erbrachter Leistung nicht nur am Semesterende – nein, eigentlich permanent. Man gönnt sich ja sonst nichts. Finanziert wird der ganze Spaß selbstverständlich von Mama und Papa. Wie alles andere im Leben übrigens auch.

Die Anderen, die, die nicht das Glück haben, keinen Anspruch an sich und ihr Studium zu haben, ihrer Zukunft nicht schon jetzt den Mittelfinger zeigen und sich auf die dauerhafte Finanzspritze der reichen Eltern verlassen, denen bleibt nichts anderes übrig, als das eigene Leben schon während des Studiums selbst in die Hände zu nehmen, ordentlich ranzuklotzen und sich den Lebensunterhalt - so gut es eben geht - selbst zu finanzieren.

Was Letzteres angeht, quälen sich viele nach einem langen Vorlesungstag durch noch längere Schichten in diversen Bars, sitzen an Supermarktkassen oder holen sich die fiesesten Lungenentzündungen, während sie den Rauhaardackel der Omi von Nebenan liebevoll, aber bestimmend durch den Park zerren.
Viel cooler sind da Jobs fernab der unverblümten typischen Studentenjob-Realität. Jobs, mit denen man nebenbei nicht nur Eindruck schinden kann, sondern auch erste, für die spätere Karriere nützliche Berufserfahrungen sammelt.

Einen von diesen hat Anna Melcher. Sie ist 24 und hat das goldene Los gezogen, schon jetzt einen Job in der schillernden Medienwelt zu haben.
Nach dem Abi hat sie zunächst eine Ausbildung in einem ganz anderen Bereich gemacht, dann aber doch den Reiz und Charme der Medien erkannt und ein Praktikum bei einer  Produktionsfirma gemacht. Das hat ihr mal gleich so gut gefallen, dass sie sich dazu entschied, ein Studium zu beginnen, dass sie fit in Sachen Medien macht. So studiert sie jetzt in Düsseldorf Sozialwissenschaften und arbeitet nebenbei - nun nicht mehr als Praktikantin, sondern mittlerweile als Studentische Hilfskraft - bei oben erwähnter Produktionsfirma, die im Übrigen filmpool heißt und Fernsehen für RTL, RTL2, Vox und Sat.1 macht.

In einem Interview hat uns Anna erzählt,  was genau ihr Job bei filmpool ist, und warum ihr Nebenjob ein cooler Nebenjob ist.

Anna, du bist erst über Umwege zu den Medien gekommen. Wie kam’s?
Ich wollte erst gar nichts mit Medien machen, sondern hab erstmal eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht. Hab dann aber gemerkt, okay, das ist ein bisschen langweilig. Daraufhin hab ich mir gedacht, probierst du mal die Medien aus. Ich hab mich dann  bei der Castingabteilung von filmpool für ein Praktikum beworben und das glücklicherweise auch bekommen. Dort hab ich dann alle Grundlagen gelernt: Leute anrufen und einladen, sie währenddessen betreuen und schließlich auch casten. Und dabei bin ich dann einfach geblieben.

Wie sieht so der Arbeitsalltag bei dir aus? Und wie gut lässt sich der mit deinem Studium vereinbaren?
Das sieht so aus, dass wir in verschiedenen Städten Deutschlands casten. Wir fahren freitags im Team zusammen los  und casten die Leute, die sich bei uns beworben haben direkt vor Ort. Und dadurch, dass ich hauptsächlich am Wochenende arbeite, lässt sich das mit dem Studium richtig gut vereinbaren. Ich kann mir meine Arbeitszeit  so einteilen, wie es mir zeitlich passt.

Wenn du immer so viel unterwegs bist, dann bleibt dir vom Wochenende ja eigentlich nicht viel übrig. Fällt das in Sachen Uni nicht wahnsinnig schwer?
Ja, gerade wenn Klausurphase ist und man arbeitet, ist das schon anstrengend, aber wir arbeiten ja nicht rund um die Uhr. Nach dem Feierabend bleibt immer Zeit, um mit den Kollegen privat noch etwas zu unternehmen, oder eben etwas für die Uni zu machen.  Man muss nur lernen, sich selbst zu motivieren.

Um noch mal auf die Castings zu sprechen zu kommen: Wie muss man sich so ein Casting vorstellen?
Die Leute, die sich bei uns beworben haben, werden von uns zu dem Casting eingeladen. Vor dem eigentlichen Casting bekommen sie den Castingfall als Script in die Hand: Das ist eine allgemein geschriebene Geschichte, in die sich jeder gut rein versetzen kann und die von ihnen später gespielt werden soll. Den lesen sie sich dann in Ruhe durch und gehen anschließend in Gruppen von 5 bis 10 Leuten in den Raum, wo der Caster und der Bewerten sitzen. Das Casting wird immer von zwei Leuten aus unserem Team gemacht: Einer, der selbst eine bestimmte Rolle übernimmt und zusammen mit den Bewerbern den Castingfall durchspielt und einer,  der die Qualitäten des jeweiligen Bewerbers bewertet.

Und wie kommt ihr jetzt genau an die Leute, die sich bei euch bewerben?
Erstmal durch Zeitungsannoncen, in den jeweiligen Lokalzeitungen der Städte, in denen wir casten, z.B. Dresden, Leipzig, München, Osnabrück. Dann auch durch unseren Internetauftritt (www.filmpool.de). Aber viele Bewerber lesen auch in den Abspännen von  z.B. "Familien im Brennpunkt", "Richterin Barbara Salesch", "Niedrig und Kuhnt", "Verklag mich doch!", "X-Diaries" und "Berlin Tag und Nacht", dass wir diese Sendungen produzieren und rufen dann direkt bei uns an.

Und was sind das so für Leute, die sich bei euch bewerben?
Das ist echt ein Querschnitt durch die Bevölkerung. Vom Anwalt und Arzt bis zur Fleischerei-Fachverkäuferin, aber auch Hartz 4- Empfängern. Das kann man gar nicht so pauschal sagen. Auch viele Jüngere melden sich bei uns, denn gerade "Berlin Tag und Nacht" kommt bei denen so gut an, dass sie Lust haben, selbst mal mitzuspielen. Aber auch für "X-Diaries" bewerben sich viele, weil sie denken, sie können schön Urlaub machen, was aber nicht der Fall ist. Denn was viele vergessen, ist, dass so ein Dreh eben auch Arbeit ist.

Ihr castet ja hauptsächlich für Scripted Reality Formate. Wie reagieren denn die Leute in deinem Umfeld darauf, wenn du denen erzählst, was dein Nebenjob ist?
Gemischt. Die einen finden das, was ich dort mache ganz cool und interessant. Generell sind die Meinungen, wie man weiß, bei den Formaten geteilt. Aber generell kennt sie jeder, selbst die Leute, die sagen „Wie, Familie im Brennpunkt?! Voll asozial!“ haben die Sendung mit großer Sicherheit schon mal geschaut, auch wenn sie es versuchen abzustreiten.


Wie beurteilst du die Formate selbst? Findest du sie gut? Schaust du sie dir selbst an?
Ich guck’ mir die ab und an auch selbst an. Man kennt das ja: Man zappt durch und bleibt früher oder später dabei hängen. Selbstverständlich ist das kein investigativer Journalismus mit hohem Anspruch an sich selbst, aber eben leichte Kost und Unterhaltung. Wenn man sich einfach mal berieseln lassen will, kann es schon das Richtige sein.


Du, als quasi-Insiderin: Kannst du etwas zur Zukunft dieser Formate sagen?  Wie lange wird Scripted Reality noch die Fernsehlandschaft durchziehen?
Puh, schwer zu sagen. Aber ich glaub, das wird noch andauern, wie man an den Quoten der Sendungen sieht. Die sind konsequent am Steigen. Ich glaub, so schnell wird das nicht abflauen. Es sei denn, es gibt jetzt demnächst eine neue Entwicklung. Aber ich kann mir vorstellen,  dass das vorerst weiter anhalten wird, gerade was die Beliebtheit von Scripted Reality Formaten angeht. Denn die Nachfrage ist groß: Früher waren es nur zwei Programme am Nachmittag. Heute gibt es so gut wie keinen privaten Sender, der ohne das Format auskommt. Auch die Sendedauer spricht für sich.

Zurück zu deinem Job: Auf was kommt es eigentlich an? Was muss man mitbringen als Caster für solche Formate?
Offenheit. Aber auch nicht schüchtern zu sein, denn man muss sich trauen auf die Leute zuzugehen und ihnen nicht nur alles erklären, sondern unter Umständen auch selbst mitspielen. Wenn man da ein schüchterner Typ ist, dann läuft das nicht. Das sieht man auch daran, dass man die Bewerber beim Casting schon das ein oder andere Mal aus der Reserve locken und ihnen ihr Talent, wenn man es so nennen mag, bewusst machen muss.  Man muss sich trauen, auch mal ein bisschen lauter zu werden.
Ganz wichtig für den Job sind eben Menschenkenntnisse. Nur mit denen sieht man, dass man aus dem ein oder anderen Bewerben noch ein bisschen mehr herauskitzeln kann oder merkt, ‚Da geht doch noch mehr’!

So wie du von deinem Job erzählst, kannst du ihn also auf jeden Fall weiterempfehlen?
Ja, absolut, weil er der coolste Nebenjob der Welt ist!

Und wie sieht’s bei dir persönlich aus? Möchtest du später weiter in diesem Bereich arbeiten - also allgemein bei Produktionsfirmen - oder soll’s doch mal ganz woanders hingehen?
Da bin ich mir selbst noch nicht so sicher. Es macht auf jeden Fall großen Spaß und ist abwechslungsreich, kreativ. Das Problem generell bei den Medien sind immer die Arbeitszeiten. Wenn man eine Familie hat, ist Arbeiten am Wochenende vielleicht nicht ganz so schön. Es kommt immer auf die eigenen Lebensumstände an und wie man damit umgehen kann zu arbeiten, wenn Andere ein freies Wochenende haben.
Ich weiß nicht, wie sich mein Leben entwickelt und ob dann alles noch so passt, aber im Moment ist es genau das Richtige für mich.

Luise

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