In seltenen Fällen kommt es vor, dass die Uni zu etwas gut ist. Und tatsächlich sollte uns dieses Glück ein einziges Mal auch nicht vorenthalten bleiben.
Dass wir eine kleine Schwäche für Singer-/Songwriter haben, haben die ganz scharfsinnigen unter Ihnen vielleicht schon mitbekommen. (Hier verweisen wir – als dezenter Spürnasentipp quasi – auf die folgenden It’s Time to Push – Einträge: Bobby Long, Ed Sheeran.)
Die Uni, genau genommen ein wundervolles Seminar aus der Anglistik (an dieser Stelle soll ein dickes, fettes „Thank you!“ die Internationalität unseres Blogs heben), war daran schuld, dass wir unsere Liebe zu einem weiteren, diesmal amerikanischen Sänger entdeckten: Ari Hest, 33, aus New York. Der Gute besuchte uns nämlich im Rahmen des Seminars und stand uns nicht nur zwei Stunden Rede und Antwort zu unseren akademisch höchst anspruchsvollen Fragen, sondern legte am Nachmittag obendrein nach ein Konzert obendrauf. Und zack, wir waren verfallen. Das ist mittlerweile über ein Jahr her, und verbessert hat sich dieser Zustand noch immer nicht.
Im Rahmen seines am 13. November erscheinenden Albums „The Fire Plays“ und seiner heute (in Berlin) beginnenden Deutschlandtour nahm sich Ari im Vorfeld ein wenig Zeit, um unsere journalistisch höchst investigativen Fragen zu beantworten.
Als kleiner Tipp vorab: Am Samstag, den 10.11 wird Ari im Kölner Underground anzutreffen sein. Wer noch nichts vorhat, hat hiermit absolute Anwesenheitspflicht. Uns findet man dort auch. Es gibt also keine Ausrede, dort nicht aufzutauchen.
The Fire Plays - am 13. November erhältlich. (Quelle: www.arihest.com) |
Wenn du potentiellen neuen Hörern deine Musik vorstellen könntest, welche Lieder würdest du ihnen zuerst zeigen wollen?
Alles vom neuen Album. Ich denke, die Lieder vom neuen Album zeigen am Besten, was für ein Musiker ich mittlerweile bin. Natürlich hätte ich auch gern, dass sie sich meine alten Songs anhören, aber ich denke der beste Weg ist es, sich die Musik anzuhören, die ich jetzt mache, denn meine Stimme und mein Musikstil haben sich ziemlich stark über die Jahre geändert.
Planst du von vornherein, welche Thematik das Album haben soll, oder schaust du im Nachhinein, wenn du verschiedene Lieder gesammelt hast, welche gut zusammenpassen würden?
Wenn ich ehrlich sein soll, eher letzteres. Aber es gibt trotzdem drei Themen, die das neue Album zusammenhalten: Da gibt es einmal die zerbrechlichen Lieder, dann die, die eher wie Popsongs daherkommen und die, die ich eher als „künstlerisch“ bezeichnen würde, weil sie in keine Kategorie wirklich passen. Aber insgesamt kann man sagen, dass es eine Grundthematik gibt, die alles zusammenhält: Das Streben, oder der Wunsch danach, ein besserer Mensch zu werden.
Also war es geplant, das Album im Herbst zu veröffentlichen? Die Grundstimmung klingt ja eher recht melancholisch.
Das war eher ein glücklicher Zufall. Es hatte verschiedene Gründe, warum das Album erst jetzt im Herbst veröffentlich werden konnte, obwohl es schon seit 6-7 Monaten fertig ist. Aber ja, es ist schon ganz passend, dass der letztendliche Release Termin auf den Herbst gefallen ist, weil das Gefühl wohl am besten zu dieser Jahreszeit passt.
Im Zuge deines Album Releases arbeitest du recht viel mit Facebook, Twitter und Youtube. Würdest du sagen, dass es heutzutage für einen Musiker sehr wichtig ist, mit seinen Fans über diese Plattformen Kontakt zu halten?
Auf der einen Seite definitiv. Aber ich denke auch, dass es einige Künstler damit übertreiben. So Sachen wie Twitter und Facebook sind toll um Leute auf dem Laufenden zu halten, aber manchmal posten Menschen einfach viel zu viel. Ich denke, je mehr man tweetet, desto irrelevanter werden die einzelnen Tweets. Manche würden jetzt sagen, dass das genau das ist, was die Leute wollen. Da wird dann so argumentiert, dass die Menschen dir ja aus einem Grund folgen und auch etwas von dir hören wollen. Aber ich versuche trotzdem, das ganze moderat zu halten. Nur im Moment mache ich ein wenig mehr als ich normalerweise mache, weil das Album ja bald veröffentlicht wird.
Würdest du sagen, dass das Internet eher ein Fluch für Künstler ist, wegen der ganzen illegalen Downloads etc., oder ein Segen, weil es so auch Künstler ohne große Plattenfirma im Nacken zu etwas bringen können?
Ich denke, es ist weder das eine, noch das andere. Das Internet ist toll, um deine Musik und deine Alben zu promoten, aber ich habe über die Jahre gelernt, dass das einzige, was wirklich zählt, ist, dass du gute Musik machen und diese auch live performen kannst. Du musst du Leute live überzeugen können, ganz egal ob sie deine Musik kaufen oder illegal downloaden. Deine Live-Qualität ist das, was darüber entscheidet, ob die Leute bei dir bleiben und weiterhin neues von dir hören wollen, oder nicht. Wenn du es schaffst, sie als Musiker zu überzeugen, dann werden sie auch weiterhin deine Musik hören und dich live erleben wollen.
Achtest du dann bei den Aufnahmen deiner Alben auch immer darauf, dass die Lieder live funktionieren?
Ich denke, das ist eine falsche Herangehensweise. Ich finde nicht, dass es verwerflich ist, ein Album auf eine bestimmte Weise zu produzieren. Die wahre Kunst liegt im Endeffekt nur darin, das Ganze dann auf die Bühne zu bringen, und darin liegt die Herausforderung. Manchmal muss man das ganze Lied anders arrangieren, aber das ist ja auch der Spaß daran. Ich glaube bisher hatte ich erst ein oder zweimal das Problem, dass ich Angst hatte, dass ein Song live nicht funktionieren würde. Aber auch dann ist es immer wieder gut, sich selbst solange zu fordern, bis es klappt.
Du gehst mit Jay Nash hier in Deutschland auf Tour. Wie wird das Ganze aussehen?
Wir werden uns während ein paar Liedern definitiv gegenseitig auf der Bühne unterstützen, aber im Großen und Ganzen spielen wir unsere eigenen Sets allein auf der Bühne. Zuerst ist er an der Reihe, dann ich.
Singer-/ Songwriter zu sein bedeutet auch immer ein bisschen, ein Geschichtenerzähler zu sein. Bemerkst du Unterschiede zwischen dem englischsprachigen Publikum und denen, deren Muttersprache nicht Englisch ist?
Bei den Songs an sich merke ich nicht unbedingt einen Unterschied, aber ich habe schon häufig gemerkt, dass ich mit dem aufpassen muss, was ich zwischen den Liedern sage. Viele sarkastische Kommentare, die das amerikanische Publikum sofort versteht, funktionieren nicht unbedingt bei einem anderen Publikum. Es gibt auch eine Menge Inside-Jokes - und da bin ich mir sicher, dass es die in jedem Land gibt- die einfach nicht außerhalb von Amerika funktionieren.
Aber bisher hatte ich kaum Probleme mit der Sprache an sich, jeder, den ich in Deutschland kennengelernt habe, sprach ziemlich gutes Englisch. Aber ich war einmal in Tschechien, da sah das ganz anders aus.
Dein Lied „I’ll be there“ ist ja ziemlich ironisch. Da könnte es doch bestimmt häufig einmal zu Missverständnissen kommen.
Stimmt, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Das ist interessant – klar, die Ironie könnte verloren gehen.
Und deine eher politischen Lieder wie „Business of America“ oder „When and If“ funktionieren in anderen Ländern wahrscheinlich auch auf andere Weise, als in den USA, oder?
Ja, das stimmt. Aber die meisten Leute aus anderen Ländern haben zumindest eine grobe Vorstellung von dem, was da momentan in den USA passiert, in Sachen Gesundheitssystem zum Beispiel. Diese Dinge sollten kritisiert werden, und ich denke, das können sowohl Leute innerhalb, als auch außerhalb der USA nachvollziehen.
Wir sprachen gerade schon über deine Lieder, die einige Dinge in Amerika anprangern. Gleichzeitig trittst du ab und zu bei großen Sportveranstaltungen auf und singst die amerikanische Nationalhymne. Hier kommt nun die Gretchenfrage: Wie hast du’s mit dem Patriotismus?
Ich denke Patriotismus ist nichts, das pauschal nur gut oder nur schlecht ist. Es kann etwas sein, das Menschen zusammenbringt und ihnen Hoffnung schenkt. Gleichzeitig kann es aber auch übertrieben und dadurch gefährlich werden. Wie es mit allem ist, was mit dem Glauben zu tun hat: Manche Menschen wissen nicht, wann sie zu weit damit gehen.
Aber um ehrlich zu sein: Hauptsächlich mache ich es, weil es eine einmalige Chance ist, vor so vielen Menschen aufzutreten und zu singen.
Auf deinen Touren gibt es dieses eine Lied, „Cranberry Lake“, zu dem du immer eine Frau aus dem Publikum zu dir auf die Bühne holt, damit sie das Lied mit dir singt. Dazu gibt es doch bestimmt ein paar lustige Begebenheiten zu erzählen, oder?
Ich finde es einfach extrem schön, eine Person neben mir auf der Bühne zu sehen, die sich bewusst außerhalb ihrer Comfort Zone begibt, um mit mir dieses Lied zu singen.
Manchmal gibt es dann diese Leute, die fast zu gut sind für diesen Moment. Das arbeitet dann fast gegen mich. Einmal war da dieses Mädchen und sie war einfach phänomenal. Und am Ende bekam sie diesen riesigen Applaus. Aber es war nicht diese Art von Applaus, die du bei einem solchen Lied erwarten würdest. Es war her ein „wow, sie sollte wirklich professionelle Sängerin werden“ Applaus. Aber ja, mir macht es einfach unglaublich viel Spaß, mit Leuten auf der Bühne zu singen, die das machen, obwohl sie in keinster Weise darauf vorbereitet waren und noch nicht einmal ansatzweise professionelle Musiker sind.
Deshalb habe ich das Lied auch so gut wie immer fest im Set. Es ist auch einfach eine schöne Abwechslung zu den Liedern, auf denen ich ganz allein auf der Bühne stehe und meine eher ernsteren Songs singe.
Würdest du sagen, dass die Singer-/Songwriter ihr eigenes Genre und auch in gewisser Weise ihre eigene Subkultur innerhalb der Musikszene bilden? Es wirkt immer so, als ob es einen starken Zusammenhalt zwischen den einzelnen Musikern gibt, du gehst ja nun auch wieder mit einem weiteren Singer-/Songwriter-Kollegen auf Tour.
Ich glaube, diese „Community“ ist gar nicht so eng, wie man immer denkt. Einer der Gründe, warum Singer-/Songwriter meistens zusammen touren ist, weil es einfach Sinn macht. Singer-/Songwriter treten oft in Bars, oder Cafés und Theatern auf. Mich würde es freuen, einmal vor einer Band mit ganz anderer Musik zu spielen, aber die meisten Promoter oder Manager wollen eine andere Stimmung für die Konzerte, deshalb suchen sie meist eine Vorband mit einem ähnlichen Klang.
Mit wem würdest du denn außerhalb deines Genres am allerliebsten einmal zusammenarbeiten?
Hm, ich glaube, ich würde wirklich gern einmal mit Dave Grohl zusammenarbeiten, weil ich denke, dass er ein genialer Musiker ist. Ich weiß gar nicht, ob ich wollen würde, dass er am Schlagzeug sitzt, oder an der Gitarre. Es ist noch nicht einmal so, dass ich jedes Lied von den Foo Fighters gut finde, aber er ist einfach ein grandioser Musiker.
Kann man also in Zukunft ein wenig mehr in Richtig Cross-Genre von dir erwarten?
Ich weiß nicht. Ich hätte da ganz sicher kein Problem mit, aber man weiß nie, was die Zukunft bringt. Aber musikalisch bin ich für alles offen.
Mademoiselle
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