Montag, 18. Februar 2013

Ein Interview mit Bobby Long.


PENIBELichkeit trifft Bobby Long.
Es ist doch immer großartig, alte Bekannte wiederzutreffen. Bekannte, von denen man lange nichts gehört hat. Bekannte, von denen man aber weiß, dass sie in der vergangenen Zeit keineswegs untätig waren. Wenn diese Bekannte dann noch junge, talentierte, aufstrebende Musiker sind, die in den vergangenen Monaten an einem neuen Album gewerkelt haben – umso besser!

Auch wir hatten vor kurzem das große Vergnügen, einen alten Bekannten wiederzusehen: Bobby Long. Schon im letzten Jahr hatten wir den sympathischen britischen Singer/Songwriter hier auf diesem Blog vorgestellt. Mehr als zwölf Monate war es nun her, dass er Deutschland und uns das letzte Mal einen Besuch abgestattet hatte. Sein Fortbleiben sei ihm allerdings verziehen, hatte der junge Herr doch in der vergangenen Zeit an seinem zweiten, bereits morgen, den 19.02., erscheinenden Album „Wishbone“ gearbeitet.

Anlass unseres freudigen Wiedersehens war das Abschlusskonzert seiner „The Wild Wood“ Deutschland-Tour im wundervollen Kölner Arkadas Theater. Kurz bevor es für ihn an diesem Abend hieß, das letzte Mal auf dieser Tour Musik-Deutschland mit seinem Können zu begeistern, nahm er sich eine halbe Stunde Zeit, mit uns über das neue Album, die Tour und einigen ganz persönlichen Sachen zu unterhalten: So saßen wir mit ihm und Support-Act-Schrägstrich-Musikerfreund Joe Summer beisammen und lauschten unter anderem ganz aufmerksam seiner Geschichte über eine geisterhafte Begegnung, erfuhren welche deutsche Angewohnheit er nie verstehen wird und bekamen von ihm als Fachmann den besten Tipp, wo und wie wir uns morgen sein neues Album zum ersten Mal anhören sollten.


PENIBELichkeit: Du hast mit 17/18 Jahren angefangen Songs zu schreiben. Jetzt bist du Mitte 20. Wie hat sich dein Schreiben von Songs über die Jahre hinweg verändert?
Bobby Long: Das verändert sich eigentlich die ganze Zeit. Die ersten Songs, die ich geschrieben habe, waren noch sehr minimalistisch, sehr einfach. Und jetzt, wo ich ein immer besserer Gitarrenspieler werde, werden sie immer komplizierter und vielschichtiger. Ich mag viele verschiedene Musikrichtungen und die beeinflussen auch mein Schreiben.

Überzeugt auch ohne Gitarre: Bobby Long.
Wie fühlst du dich, wenn du dir deine eigenen ersten EPs anhörst?
Ich mag sie. Manche mag ich weniger. Ich vergrabe sie jetzt nicht, ich würde nur selber eher die neuen Sachen hören.

Du wohnst mittlerweile in Amerika. Du hast mal gesagt, dass du dir mit dem Umzug von London nach New York deinen größten Traum erfüllt hast. Welchen großen Traum willst du als nächstes verwirklichen?
Ich glaube den, für immer hier zu leben, beziehungsweise für eine lange Zeit in Amerika zu leben. Im Moment habe ich das Gefühl, dass das auch passieren wird. Mein nächster großer Traum ist, New York für immer als mein Zuhause zu haben, aber auch an anderen Orten zu wohnen. Zum Beispiel für ein paar Monate in Paris, oder vielleicht in Kalifornien. Das wäre großartig.

Gibt es aktuelle Musik, die du magst und hörst und die dich inspiriert?
Ja, da gibt es viel aktuelle Musik! Ich höre viel neue und alte Musik. Im Moment liebe ich die amerikanische Band „The Mother Hips“. Und lasst mich überlegen... Oh, und ich liebe Richard Hayley! Und alles von „My Morning Jacket“! Im Moment mag ich wirklich vieles.

Songs zu schreiben scheint dir ziemlich leicht zu fallen. Gibt es irgendwas, das dir nicht ganz so leicht im Leben fällt?
Morgens aufstehen! Mich anziehen. Mir fallen ständig irgendwelche Sachen schwer, um ehrlich zu sein. Ich bin auch nicht gut in Sachen-Reparieren. Wenn Sachen in meiner Wohnung kaputt gehen, muss meine Freundin die meist reparieren, weil ich das selbst nicht kann. Und ich mache leider ständig irgendwas kaputt.


Wie muss ein Tag sein, um ein guter Tag zum Songschreiben zu sein?
Das Wichtigste ist, dass ich glücklich bin, glaube ich. Wenn ich wegen irgendetwas niedergeschlagen bin, kann ich überhaupt nichts machen. Aber wenn ich glücklich und gut drauf bin, kann ich mir beim Songschreiben Gefühle verstellen, wie niedergeschlagen zu sein, oder kann darüber nachdenken, wie ich mich gefühlt habe, als ich niedergeschlagen oder wütend war. Generell also ein gewisser Glücklichkeitsgrad. Wenn ich den nicht erreiche, liege ich eigentlich nur im Bett rum. (lacht)

Wir haben gelesen, dass du nur zur Uni gegangen bist, um in London zu leben...
Ja, ich bin zum Studieren dorthin gezogen. Ich dachte mir, es wäre ganz gut zur Uni zu gehen, um Leute kennen zu lernen, in London zu wohnen und einen Abschluss zu machen. Aber um ehrlich zu sein, bin ich wirklich nur nach London gezogen, um Musik zu machen.

Trotzdem hast du deinen Bachelor-Abschluss gemacht. Glaubst du generell, das mit dem Studium hat sich gelohnt?
Oh ja, absolut, total! Mit meinem Abschluss kann ich später auf jeden Fall viel machen. Durch das Studium konnte ich jetzt schon vieles machen. Vier Jahre in London leben, zum Beispiel. Ich liebe London! Das war eine großartige Erfahrung.

Nach deinem Debütalbum „A Wintertale“ hast du letztes Jahr auch ein Buch mit Gedichten veröffentlicht. Was hat dich dazu bewegt „Losing my brotherhood“ zu veröffentlichen?
Ich wollte einfach mal etwas komplett anderes machen. Einer meiner persönlichen Helden ist Danny Cohen [Anmerk.: Daniel Cohen, Amerikanischer Autor]. Und da ich schon immer an Poetik interessiert bin, dachte ich mir, dass das doch ganz cool wäre und ich den Leuten eine ganz andere Seite von mir zeigen könnte. Und schreiben wollte ich sowieso irgendwann einmal. Ich habe das erstmal nur als eine kreative Übung für mich selbst gesehen. Am Ende hatte es mir persönlich sehr viel gebracht. Das Schreiben hat richtig gut getan und mich von vielem befreit. Und es war das wohl Persönlichste, was ich je getan habe.

Also waren die Gedichte von Anfang an Gedichte und keine Songtexte?
Ja, ich habe das direkt von Anfang an getrennt. Wäre es so gewesen, hätte ich das Gefühl gehabt, jemanden, der sich das Buch wegen der Gedichte kauft und stattdessen Songtexte findet, irgendwie zu betrügen. (lacht)

Ist es jetzt, wo du ununterbrochen Songs schreibst, nicht furchtbar schwierig zu entscheiden, welcher es von denen auf ein Album schafft?
Ja, das ist sehr schwierig! Mein größtes Elend ist immer zu entscheiden, an welchem es sich lohnt weiter zu arbeiten und ihn weiter zu spielen. In Gedanken springe ich immer zwischen verschiedenen Songs und ihren Qualitäten hin und her. Manchmal denke ich, dass ich gute Songs habe, vergesse die dann aber wieder. Manchmal hab ich das Gefühl, dass ich ein Song besser erstmal zurückhalten sollte, spiele ihn dann aber trotzdem. Die Entscheidung ist wirklich hart. Und mein Lieblingssong ist immer nicht der anderer Leute. Ich glaube wirklich, dass ich in dem Auswählen von Songs besser werden sollte.

Du hast angekündigt, mit deinem neuen Album ‚aktueller’, ‚mainstreamiger’ klingen zu werden
Ja, das hab ich! Ich wollte, dass das neue Album anders wird. Ich will keine gleichen Sachen zweimal machen. Ich finde, dass das langweilig ist. Meine Vorbilder sind Bob Dylan and Neil Young. Neil Young zum Beispiel macht alles immer etwas eigenartig, aber zugleich wundervoll. Deswegen höre ich ihn so gerne. Und auch er selbst ist dabei nicht immer gleich. Er verändert sich als Songwriter ständig. Und das will ich auch. Ich sehe mich selbst auch nicht als Singer/Songwriter, der nur akustisch spielt. Ich möchte auch zum Beispiel mal etwas Elektrisches machen und mich wandeln. Das ist zumindest die Idee.

Also findest du, dass es dir gelungen ist, auf dem neuen Album ‚zeitgemäßer“ zu klingen.
Ja, ich denke! Es ist schwerer und sehr anders, als das erste Album. Und klar, es könnte noch zeitgemäßer sein. Ich meine, es könnte immer poppiger sein, aber ich glaube, es klingt schon mehr nach einem zeitgemäßen Album, als alles, was ich zuvor gemacht habe.


Wir haben gelesen, dass du den Song „A Wintertale“ hier in Deutschland geschrieben hast, als es richtig kalt war und ihn dann im verschneiten London aufgenommen hast. Gibt es zum neuen Album und den Songs auch so eine Geschichte?
Wir haben das neue Album in Kalifornien aufgenommen, letztes Jahr im März und da war’s sehr warm, sehr herrlich.

... also wird es allein deswegen schon anders klingen?
Ja, ich finde, es klingt sommerlicher. Und ist bepackter mit Klängen, die den sommerlichen Sound ausmachen. Das letzte Album hat im Vergleich mit nur vier, fünf Instrumenten viel kälter geklungen. Und irgendwie wollte ich, dass das neue Album ein bisschen kalifornisch klingt. Allein wegen des Ortes, wo wir es aufgenommen haben, klingt es auch irgendwie so. Der Ort spielt immer in das Klangpaket rein, finde ich.
Ich habe meine letzte EP „The Backing Singer“ zum Beispiel in einer Kirche aufgenommen und die klingt deswegen sehr unheimlich und geisterhaft, fast religiös. (lacht) Oh, das komisch. „Sie klingt wie Gott! Als würde Gott persönlich singen!“ (lacht)

Wenn Leute sich das neue Album "Wishbone" kaufen, wo sollten sie es deiner Meinung nach zum ersten Mal hören?
Mit Kopfhören in ihrem Schlafzimmer. Oder beim Autofahren. Ich selbst mag es total, auf dem Bett zu liegen, Kopfhörer aufzusetzen und ein neues Album zu hören. Das ist einfach das Beste überhaupt. Ich finde, dass man erst dann alles klar hört. Und man sollte es auch wenigstens als CD oder Platte hören. Nicht als mp3 oder über iTunes. Ich finde, da ist die Qualität nie sehr gut. Da überhört man immer vieles.

Beim Aufnehmen deines neuen Albums hast du auf einer Gitarre von Elliott Smith gespielt. Wie hat sich das angefühlt?
Das war eine der seltsamsten Erfahrungen! Als wir das Album aufgenommen haben, ich meine, ich weiß nicht wirklich, was ich über Geister denken soll, aber... Ich glaube nicht, dass sie nicht existieren. Ich kann mir schon vorstellen, dass es wahrscheinlich so etwas wie umherfliegende Seelen gibt, oder so was in der Art, vielleicht. Ich denke das tun sie. Da im Studio hatte ich zumindest zum ersten Mal das Gefühl, dass Elliott Smith irgendwie anwesend ist. Mein Bassist hatte dazu auch noch auf Elliott Smiths Bass gespielt. Und als ich dann irgendwann mal angefangen hatte, einen seiner Songs zu spielen, meinte mein Bassist nur „Mach das nicht! Mach das nicht!“. Das war sehr seltsam. Und plötzlich hatte sich das Spielen auch seltsam angefühlt. Ich hatte auf einmal das Gefühl, eine gewisse Energie zu fühlen, irgendwas Spirituelles. Und als ich dann in dem großen, dunklen Raum auch noch gesungen hab, fühlte ich plötzlich etwas. Ab da war ich durchgängig verängstigt! (lacht) Aber positiv verängstigt.

Gleich spielst du die letzte Show deiner aktuellen Tour hier in Deutschland. Wie bereitet man sich auf solch eine Tour generell vor?
Man macht sich am Anfang erstmal Sorgen. Dann ignoriert man die und denkt erstmal nur von einem Auftritt zum nächsten. Gerade bei solch einer Tour mit zehn Shows, wo du auch noch so viel zwischendurch reist, muss man das. Wenn du am Anfang schon an den letzten Auftritt denkst, brichst du zusammen. Man darf echt nur von einem Auftritt zum nächsten denken. Und darin nur das Beste sehen und es einfach genießen.

[Manager Sven betritt den Raum und gibt Bobby eine Geburtstagkarte zum Unterschreiben.]

Sven: Dabei wollte der das so, zehn Shows hintereinander!
Bobby: Ja, wollte ich. (lacht) Aber ich mag einfach keine freien Tage zwischendurch, weil man dann noch müder wird und zu viel Zeit zum Entspannen hat.

2009 hast du hier in Deutschland dein erstes Konzert gespielt. Was hat sich seitdem verändert?
Das Publikum hat sich ziemlich verändert. Auf die bestmögliche Weise. Damals waren es fast nur junge Mädchen. Und jetzt ist es eine gute Mischung. Männer, Frauen. Das Publikum ist meist immer noch gleich groß, aber hört besser zu. Jetzt habe ich das Gefühl, dass es mein Publikum ist. Am Anfang hatte ich irgendwie immer das Gefühl, dass sie gelangweilt sind. Aber jetzt ist es immer sehr erfrischend hierher zu kommen: Mehr Männer, mehr Pärchen, mehr ältere Leute. Eine wirklich nette Zusammensetzung des Publikums!

Mittlerweile hast du viel gesehen. Gibt es eine Stadt, die du noch nicht gesehen hast, aber unbedingt mal sehen möchtest?
Ziemlich viele! Meine Familie und ich sind früher manchmal im Sommer in Frankreich gewesen und haben uns Gedenkstätten des Zweiten Weltkrieges angeschaut. Ich würde aber auch gerne mal nach Dresden und an andere wichtige Orte. Auch nach Auschwitz.
Aber ich würde zum Beispiel auch gerne mal Dortmund sehen. (lacht) Einfach mal kleinere Städte bereisen, um ganz Deutschland gesehen zu haben.

Hast du denn Zeit, dir die Städte anzuschauen, in denen du spielst?
Nein, nicht wirklich. Dum-Duuuum. Manchmal haben wir Zeit ein bisschen was zu sehen. Zum Beispiel vor ein paar Tagen in München. Und hier in Köln liebe ich es immer in den Dom zu gehen. Der ist so wunderschön! Dann gehe ich auch auf den Turm. Aber meist bleibt uns dafür keine Zeit, weil uns immer so viel Zeit mit dem Fahren von Stadt zu Stadt verloren geht.


So, nun haben wir einige Sätze für dich, die wir beginnen und die du beenden musst, ohne viel darüber nachzudenken.
Oh, die liebe ich!

Mein Lieblingswort auf Deutsch ist...
Scheiße.

Mein Lieblings-Music-Act aus Deutschland is...
Puh. Die Kelly Family.

Mein deutsches Lieblingsessen ist...
Bratwurst.

... und ein Essen, das ich weniger gern mag ist...
Hab keins. Ich mag alles.

Reisen auf der Autobahn ist...
Unheimlich!

Mit der Deutschen Bahn zu reisen ist...
Einfach und bequem.

Deutsches Bier ist...
Fantastisch!!!

Eine Stadt, in der ich mir vorstellen könnte zu leben, ist...
Puh! Köln, Hamburg oder Berlin.

Eine der deutschen Angewohnheiten, die ich nie verstehen werde, ist...
Effizienz! Es ist immer so witzig: Sven und Gregor [Anmerk.: (Tour-)Management], die sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, aber dennoch SO gleich. Zum Beispiel wenn wir morgens losfahren, klopfen sie immer an meine Tür „Zehn Minuten! .... Fünf Minuten!“ und trödeln interessanterweise dann selbst rum, wenn wir anderen schon alle im Auto sitzen. Ich glaube, das ist etwas typisch Deutsches. Ihr seid immer total pünktlich, aber wenn es um eure eigene Zeit geht, dann geht ihr es ruhig an. Gregor braucht dann nämlich selbst zehn Minuten bis er im Auto sitzt und wir fragen uns alle „Und warum hetzt er UNS so?“ Dann ist er selbst nämlich nie pünktlich. (lacht)

Wenn ich wieder zuhause bin, werde ich von Deutschland am meisten vermissen...
Bobby Long: Die Menschen! Die Leute hier im Publikum sind mit die nettesten überhaupt! Das ist unglaublich. Darüber haben Joe und ich uns kürzlich unterhalten: Über das, was hier vor fast einhundert Jahren passiert ist, über das Unglaubliche, was in so kurzer Zeit passiert ist. Und jetzt sind wir hier. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das alles hier in Deutschland passiert ist. Weil die Leute so nett sind, so unglaublich liberal und wundervoll. Und sie sind klug und intelligent. Nicht wahr, Joe?

Joe Summer: Ja, sie sind so warmherzig. Das ganze Land ist so ein inspirierender Ort.
Bobby Long: Man merkt einfach, dass hier viel passiert. Um noch mal auf den Krieg zu sprechen zu kommen und all das, was in so kurzer zeit hier passiert ist: Wenn man von den Menschen heute ausgeht, ist es einfach unglaublich, dass das hier alles passiert ist.
Und das zeigt, wie sehr und schnell sich die Menschen und das Land verändert haben, im Vergleich zu anderen Ländern. Deswegen werde ich auch immer sehr wütend, wenn ich noch irgendetwas Schlechtes über Deutschland höre. Weil ich Deutschland echt sehr mag und schätze! 
Marie

Album kaufen! Bobby freut sich. Und wir uns auch. 
(Ja, das mit dem Buchstabieren üben wir noch)


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